Über Ehrfurcht, Rittertum, Wahnsinnsfaktor und Gruß

Aus der Serie: "Killerstorys, oder die frühen Tage"

Über Ehrfurcht, Rittertum, Wahnsinnsfaktor und Gruß

Wir schreiben das Jahr 2000. Die moderne Technik beschert uns immer perfektere Waffen und Entwicklungen, wie sie in den kühnsten Träumen unserer Ahnen nicht vorstellbar waren. Auch an den motorisierten Zweirädern ist dieser Kelch nicht vorüber gegangen. Seltsame Gestalten auf technischen Wunderwerken. Aber warum sitzen diese pinkfarbenen Jokurtbechertreiber, oder diese versteinert blickenden, in schwarzes Leder gekleideten großvolumigen Zweizylindertuckerer auf so seltsamen Gefährten? Haben Sie eine Ahnung, wo dieses geile Gefühl herkommt, das sie zu diesen scheinbaren Außenseitern der Gesellschaft werden lässt?
Jeder spürt, da ist doch noch etwas anderes, außer arbeiten gehen, auf den Urlaub freuen und alles was uns das Fernsehen einredet kaufen zu müssen, um glücklich zu sein???
Wir wollen und müssen hier einmal einige klare Grenzen setzen um den Sinn der Sache zu erkennen.
1 Gruppe: Der Motorradbesitzer.
Zeichnet sich in erster Linie durch finanziellen Reichtum und geordnete Verhältnisse aus. Besitzt ein Motorrad und kann dieses sogar starten und bedienen. Auch der Befüllung mit Benzin ist er kundig. Das technische Teufelszeug mit Öl, Kette, Wartung und so weiter überlässt er "seinem" Technikguru, hier im Westen besser bekannt als Mechaniker, oder wie die Indianer sagen würden " der Mann der durch die Dummheit und Faulheit der anderen Geld verdient". Wird in freier Wildbahn selten angetroffen, ist aber verständlich, da die heilige Kuh nass werden könnte.

2.Gruppe: Der Motorradfahrer.
Es handelt sich hierbei um ein Individuum, das den Ruf der Wildnis erhört hat. Seine ursprünglichen Instinkte sind bereits erwacht. Er ist bereits ein Suchender. Aber seine Umwelt behindert ihn noch sehr stark. Am Wochenende nimmt er sich aber, so gut er kann, die Zeit um seinem Urinstinkt nach Freiheit zu befriedigen. Ist bereits öfter auf der Straße zu erblicken, und des öfteren durch sein etwas eigenwilliges Erscheinungsbild zu erkennen. Er kennt sein Ross, pflegt es und es verbindet sie eine seltsame Art von Liebe. Oder auch: "Der Mann, und sein Pferd ".

3.Gruppe: Der Biker.
Hierbei handelt es sich um Wind und Narben gezeichnete Körper, die sich bereits lange Jahre mit nicht selten mehr als dem 20. Roß durch die Prärie bewegen. Dieser Lebensstil hat Ihm Erfahrung und Reife gelehrt. Angesichts seiner für dieses Gefühl gefallener Brüder und Schwestern weiß er um die Tücken der Materie. Kein noch so gescheites Buch oder teures Zubehör wird ihn mehr erfreuen als der Gedanke, das man Erfahrung nicht kaufen kann. Ihn befriedigt nur das Tun. Er wird aber immer im Herzen ein Biker sein, auch wenn ihn das Schicksal hart trifft. Er gehört immer dazu, auch wenn ihn seine Kumpels tragen, füttern und nach Hause bringen müssen. Nur wer selbst ein wahrer Biker ist, kann einen anderen erkennen. An seinen Taten, Worten und Werken. Er weiß, was modernes Rittertum ist.

3.a): Der Wahnsinnsfaktor
Individuum zeichnet sich durch Kenntnis des absolutem Grenzbereiches aus. Hat auch oft den Rufnahmen "Waunsinniger Idiot", "Wos woa des???", oder aber meistens "Schauts eich des au !!!" Überzeugt nach einigen Schrecksekunden der übrigen Anwesenden durch perfekte Taten, Worte und Werke Marke.
Er hat meistens einen erhöhten Reifenbedarf der feinen Sorte, glänzt durch harmonische Bewegungen seines Gerätes, und weiß erlesenes Material zu nützen. Auch in der Technik ist er sehr bewandert, da er ja ein Mann der ersten Stunde ist. Ihm wurde nichts geschenkt. Er hat sich alles erarbeitet und aus seiner Erfahrung gelernt.
Tritt oft in freier Wildbahn explosionsartig auf, und verschwindet noch bevor sich der Mund des Beobachters schließt. Fahrende Hindernisse stellen für ihn kein Problem dar. Altersgruppe ca. 35 - 75 Jahre. Mit ihm ist immer und überall zu rechnen.

Nach etwas Einblick in die Seele des Zweiradtreibers wird natürlich klarer, woher dieses Gefühl kommt, das man spürt, wenn man etwas erblickt oder fühlt was nicht alltäglich scheint. Es ist diese Energie, die in Abertausenden von "Einerutschern" und "Wegstemplern", durch unzählige Adrenalinstößen der Marke "AAAAAHHHHH !!!!!!!!...Gott sei Dank, des is se nu ausgaungan......." in das Walhalla der Motorradfahrer geschrien wurde. Im ewigen Daytona, dem Himmel der wahren Biker, wird diese Energie gesammelt, und Sie steht jedem zur Verfügung der sie braucht. Denkt daran, Ihr Säcke, wenn euch das nächste mal der Stift zwei Zentimeter rausschaut und zündet eine Kerze an.
Auch der Freizeitfahrer kann diese Energie spüren. Und genau das ist es, warum ihr das nächste Mal die Hand zum Gruß erhebt. Grüßt ehrfürchtig, es könnte ein Biker oder ein Bote aus dem ewigen Daytona sein. Vielleicht ist es gerade der, der dir für deine nächste Stiftpartie Glück bringt.

Im Gedenken an einen Mann der ersten Stunde, Peter Samson . "Möge dir im ewigen Daytona der Sprit nie ausgehen, der Gummi nicht rutschen und der Motor nie kalt werden."
...und er blickt auf uns herab, und lächelt. Und es war gut...........

Comics, Genie und Wahnsinn

Aus der Serie: "Killerstorys, oder die frühen Tage"

Comics, Genie und Wahnsinn


Und da war noch die Sache mit den Comics. Als mir vor einigen Jahren das erste Exemplar von "JO-BAR-TEAM" in die Hände fiel, traute ich meinen vor lachen wässrigen Augen nicht. Hatte dieser Mensch in Frankreich tatsächlich diese Storys erlebt? Kann es bitte sein, das irgendwo in Frankreich eine Horde Irrer das selbe erlebt hat wie Wir? Es scheint unwahrscheinlich, das der Autor meine so in der Art gelaufenen Erfahrungen nur durch Erzählungen in so köstlicher Weise zu Papier bringen konnte. Aber, und der Blitz soll mich auf der Stelle erschlagen wenn ich lüge, solche Kulterlebnisse haben sich tatsächlich vor meinen Augen abgespielt. Und wenn Ich dieses Comic jemand zeigte, der damals dabei war, hörte ich immer die gleiche Reaktion. "Das gibt es nicht, fast wie bei uns".

Ich denke, das JO-BAR-TEAM gibt es in jeder Ära. Es gab Sie in den 70ern, 80ern, 90ern, und es gibt Sie auch Heute. Der Unterschied liegt nur im eigenen Material, und dem Material der bemützten Streckenposten. Der Geist ist sicher der Selbe.

Daher kommt es immer wieder zu interessanten Begegnungen der seltsamen Art. So war es in den 80ern immer wieder ein Genuss, in hinterer Position zuzusehen, wie die "Berta 2", ein mit Diesel befeuertes Gerät mit 50 PS, tatsächlich ihr Blaulicht aktivierte und die Verfolgung aufnahm, sobald die in Führung liegende Kawasaki 1000 des Zwölferpulks vorbeidonnerte. Spätestens 4 Sekunden später, nach der Besichtigung des Auspuffrohres der als Schlusslicht rasenden Honda 750 four mit verstellter Zündung, erkannten die meisten die Sinnlosigkeit dieses Unterfangens. Einige drehten die Beleuchtung galant ab, genossen die Vorstellung und ignorierten die Sache einfach. Andere wurden noch Stunden später, krampfhaft suchend, in Ihren Autos gesichtet.

Man konnte das ja leicht verfolgen, da der Schanigarten vom Cafe direkt an der Straße lag.

Was war geschehen? Sie wurden leider Mitspieler in dem zu dieser Zeit so beliebten Gesellschaftsspieles "Wer zuerst mit den Bullen am Hinterreifen vorbeikommt, hat Gewonnen"! "Vollkommener Blödsinn" werden nun einige Denken. Für die, die bereits schmunzelnd lächeln möchte Ich noch hinzufügen, das der Tagessieger auch öfters gefordert wurde. In diesem Fall konnte mittels vorbeidonnern mit zwei Bullen am Reifen der Jackpot geknackt werden. Was in der Regel mit standing ovations der anwesenden Gäste lautstark gefeiert wurde. Auch die Wettleidenschaft einiger anwesender Nichtmotorradfahrer konnte ausreichend befriedigt werden.

Aber warum ist das passiert, was waren die Ursachen solcher Verhaltensweise? Ganz einfach. Zu jeder Zeit gibt es Biker, denen der Wahnsinnsfaktor nicht unbekannt ist. Zu dieser Zeit, Anfang der 80er Jahre, trafen einige Faktoren zur selben Zeit auf. Man nehme einige Gasgeber, die in der Anonymität der Großstadt zusammengewachsen sind, addiere die Motorleistung ihrer Maschinen, mixe das ganze mit einer Priese jugendlicher Leichtsinn und siehe da das rot weiß rote Kampfgeschwader a´la´JO-BAR-TEAM ist fertig.

Die Auswirkungen sind klar. Alles ist erlaubt, was Spaß macht. Dabei war natürlich der brutale

Filtermechanismus des Risikos die Kraft, welche die Auslese vornahm. Wer das Tempo hielt, der war dabei. Alle Weicheier siebten sich selber aus. Den Zielpunkt solch eines Gesellschaftsspieles kannte im vor hinein natürlich keiner. Gruppendynamik war angesagt. Somit trat das Naturgesetz "Nur die Starken überleben" in Kraft. Einmal staunten wir nicht schlecht, als der Biker der unterwegs dazu kam und das Tempo halten konnte, sich als schnelle Braut entpuppte. Ihr Freund, der den Filtermechanismus nicht passieren konnte, irrte noch immer planlos irgendwo umher. Der war aber zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich wichtig. Auf der nächsten Etappe Gasgeben war angesagt, mit oder ohne Ihn.

Und es waren oft bis zu 20 Maschinen dabei. Eine zweistellige Zahl war es meistens, darauf waren wir stolz. Und jeder durfte mitspielen. War es einer, der zur allgemeinen Belustigung beitragen konnte, der kein Geld für Sprit hatte wurde ein Helm im Kreis gereicht, und siehe da, die Sammlung reichte immer für einen Tank.

Solche Verhaltensweise wirkte natürlich auf die gnadenlosen Heizer von damals wie ein Magnet. Endlich eine Gruppe, die ihre Art von Leben und Fortbewegung akzeptierten!

Wie die Fliegen zum Misthaufen zog es alle möglichen Meister ihres Faches in unseren Kreis.

Artisten, die mit hoch aufgerichtetem Vorderrad Baustellenabsperrungen durchschlugen. Einfach weil der Wheele so toll war und länger als geplant dauerte. Oder graphische Künstler, die Buchstaben mit dem Hinterrad schreiben konnten. Tut mir leid, Wolferl A., das ich das hier erwähne, aber es gab wirklich keinen anderen, der zwischen drei vor der roten Ampel stehenden Kolonnen mit 140 Sachen durchglühte, nur weil er wusste das genau jetzt Gelb kommt. Nicht auszudenken Was passieren könnte, aber darum geht´s jetzt nicht. Noch zu erwähnen wäre hier der Kollege, der mir in nur zwei Tagen das perfekte Hinterradfahren beibrachte, wohlgemerkt mit einer 850er Yamaha Kardan. Er war der einzige, den ich je sah, der den Wheele kontrolliert soweit über den Scheitelpunkt dirigierte, das er mit dem Kennzeichen am Asphalt streifte. Klarer Sturz, werden jetzt die Kenner der Materie sagen. Weit gefehlt! Nur mit Betätigung der Hinterbremse und zusammengekniffenen Oberschenkeln bringt er das Ding wieder auf ca. 45 Grad, schaltete oben galant auf die Zweite, und lässt das Vorderrad butterweich aufsetzen. Bleibt bei der nächsten Kreuzung stehen als ob nichts gewesen wäre, und grinst. Oder Billy H. Sein Abgang nach seinem Wheele mit seiner Suzuki ( auf dem Hinterrad in den dritten Gang schalten, und dann etwas zuviel Aufwind von vorne,) ist legendär. Die Gurke ist nach elegantem Abstieg zwei Ampeln weiter gelegen.

Aber eines hatten alle gemeinsam. Nervöses Gaszupfen vor roten Lichtern und Anerkennung des in Führung liegenden Heizers als Leithammel. Bleibt der vordere stehen, bleiben alle stehen. Gibt der vordere Gas, geben alle Gas. (Siehe Aussiebverfahren für Weicheier.)

Dadurch entstanden natürlich Aktionen, wo die Ordnungshüter wirklich nicht wussten, ob es sich um normale Menschen handelte, oder ob Außerirdische einen Kampf austragen. An dieser Stelle möchte Ich mich bei allen Beamten bedanken, die uns nicht mittels Schusswaffe an unserem Vergnügen hinderten. Aber, Leute, einige Motorisierte haben Stil gezeigt, und aus einer Verfolgung wurde ein Stück gemeinsame Ausfahrt. Ein Hoch auf die Honda 750 four mit Windschild. 170 geht Sie, wie mir ein Berittener berichtete, nachdem er mich bat, einmal ordentlich mit meiner 1100er KAWA bei Ihm vorbeizublasen. So was muss er unbedingt haben, hat er damals gemeint. Das war 1984. Ob sein Wunsch in Erfüllung gegangen ist, weiß Ich nicht. Eines weiß ich mit Sicherheit, Er ist einer vom JO-BAR-TEAM.


Über Mollard-S und Gürtelheizen

Aus der Serie: "Killerstorys, oder die frühen Tage"

Über Mollard-S und Gürtelheizen



Irgendwann, Sommer 1983, nach Einbruch der Dunkelheit. Da wir nun schon eine halbe Stunde am Wiener Gürtel unterwegs waren und die Bikes auf Betriebstemperatur hatten, machte sich langsam Unruhe unter den Mitstreitern breit. Wo waren die Bullen? Normalerweise funktionierte deren Kommunikation so perfekt, das alle verfügbaren Einheiten Bescheid wussten, sobald sich die Gladiatoren der damaligen Streetfighterszene zu Ihrem täglichen Spiel aus ihrem Stützpunkt (Cafe) wagten.

Heute war das anders. Eine fast schon unerträglich defensive Fahrweise aller Beteiligten deutete auf Überraschungen hin. Hatte Franz W. in Yoshimura investiert? Hatte Billy H. endlich den Trick "auf die Vierte schalten beim Wheelie" perfektioniert? War ein Hinterreifen zum Niederbrennen verurteilt? Nun, nach der ersten Streckenbegutachtung wurde klar: Trockener, griffiger Asphalt, wenig Verkehr, im Molard-S kein Schotter oder Öl. Top ideale Bedingungen für das tägliche Ritual. Die Zuschauer im Schanigarten des Stützpunktcafe´s hatten ihre Plätze eingenommen, die Preisrichter in Position und die Wetten waren gesetzt. Üblicherweise wurde die Erste Runde, die am Südtirolerplatz begann, über den inneren Gürtel bis Nußdorferstraße und äußerer Gürtel zurück führte, zur Streckenbesichtigung und Aufwärmphase genutzt.

Besonders interessant war der Zieleinlauf auf der Geraden zwischen Matzleinsdorferplatz und Südtirolerplatz. Hier konnte mit Geschwindigkeiten um 190 Km/h gerechnet werden. Ein Augenschmauß für die Fans.Wheelies mit oben schalten rundeten das Bild ab. Ich brauche nicht zu betonen, welche akustische Untermalung das Ganze hatte. Marving, Sebring, Yoshimura oder Rohr-Mertl. Vier-in eins war Standard. Natürlich ging das nur zwei, maximal drei Runden ohne das lästige Tatütata und die blaue Lichtorgel im Spiegel.

Heute aber war es ein wenig anders. Die Streckenbesichtigung hatte, wie gesagt, grünes Licht gegeben. Nun war es soweit. Wir kommen zum Südtirolerplatz, machen die elegante Umkehrschleife auf die Gegenfahrbahn. Im Augenwinkel erblicke ich noch den mit beiden Händen anfeuernd gestikulierenden Würstelstandler und seinen erstaunt blickenden Gästen. Klarer Fall, Vorstellung für die Fans. Zehn Bikes legen Los.

Erste, bei Achteinhalbtausend Kupplung leicht lupfen, Vorderad auf halb zehn Uhr heben, zweite ohne Kupplung nachdrücken, Gas, Wheelie erst um Gottes Willen nach vorbeifahrt nach Cafe Vorderrad wieder aufsetzen (Hatungsnoten!!), dritte, vierte, volle Kanne! Zielbremsung bei nächster Ampel. Dort ist erfahrungsgemäß noch fünf Sekunden rot, Dann das gleiche Spiel wieder und wieder. Eigentlich nichts besonderes, immer bei Rot in vorderster Front, wenn fahrende Hindernisse (Autos) vor den Ampeln stehen einfach durch-fädeln und Aufstellung in einer Reihe am Fußgängerübergang. Adrenalin 2000! Das Wesen der Piloten gleicht nun eher Bluthunden den Menschen. Andere Verkehrsteilnehmer mutieren zu Statisten in unserem Film. Auch in mir geht eine seltsame Wandlung vor. Ich ertappe mich dabei, immer etwas später zu starten als die anderen. Ich sehe das so gerne. Das fast gleichzeitige Abheben der Vorderräder bei Gelblicht und die Harmonie des weg rasenden Pulkes lässt eine Gänsehaut des Entzückens über meinen Körper laufen. Die Familie vereint! Keine Frage, es ist Sache der Ehre an der nächsten Startlinie wieder als erster zu erscheinen.

Im Formationsflug über den Europaplatz, Kreuzung Sechshauserstraße noch bei Gelb, Aufstellung vor dem berüchtigten Molard-S. Zehn Mann hoch in einer Reihe, außer sich vor Adrenalin, die Motoren nicht unter Achttausend. Nur am Start nicht stehen bleiben! Ich wähle den Platz links außen. Ein routinemäßiger Blick nach hinten, bestätigt mich in meiner Vermutung, das wir bereits uniformierten Geleitschutz haben. Einige Meter hinter uns steht eine Funkstreife in mittlerer Spur, laut TATÜTATA machend und mit Blaulicht dekoriert. Zwei mit offenem Mund darin sitzende Beamte, denen man die Fassungslosigkeit ansehen konnte, versuchen auf sich aufmerksam zu machen. Zehn Vier in Eins zwei Sekunden vor dem Start gegen ein LALÜLALA. Klarer Fall, wird einfach ignoriert. Den sehen wir sowieso nicht lang. Alle anderen dürften genauso denken, der Alarmstart bei Rot-Gelb ist sowieso nicht zu stoppen. Die Autofahrer, die derweil hinter der Szenerie Aufstellung genommen haben, sitzen quasi in den Logenplätzen. Die links-rechts Kombination wird in gewohnt souveräner Manier absolviert, Franz hat keine Yoschi-Trümmer, Billy riskiert auch nichts und ich weiß auch schon was kommt. An der Kreuzung Schönbrunnerstraße fahre ich gleich bei rot weiter und signalisiere mit senkrecht erhobenem, drehendem linken Zeigefinger das internationale Zeichen für "Die Bullen!!". Ab diesem Zeitpunkt hast du ca. fünf Minuten, dann werden Sie lästig und kommen von allen Seiten. Da wir allerdings nicht mehr weit vom Stützpunkt entfernt sind und die Hochgeschwindigkeitsstrecke vor uns liegt, läuft kurzerhand Plan A weiter. Kreuzungen werden in der Folge wie bei Ampelausfall behandelt. Rechts-links-schauen, kommt nix, drüber. Ab Steinbauergasse ist hinter uns sowieso nichts mehr zu sehen. Kliebergasse vorbei, jeden Gang ins rote Feld drehen, Wende bei den johlenden Leuten vom Würstelstand, 300 Meter bis zum Cafe, dort in der Seitengasse das Bike verstecken. Anschließend das Erlebte bei einer gemütlichen Melange und Mineral besprechen. Danach eine Wanderung zum Würstelstand, dort die Haltungsnoten abklären und die wohlverdiente Heiße hineinschieben. Kurzer Blick auf die Uhr, halb Zwölf. Und ich habe gedacht, es wird wirklich was ganz besonderes. Tja, so kann man sich irren. ....Na, eine Runde geht da heute sicher noch!


Zeltweg, oder: Der Wahnsinn zum Quadrat, die Anreise.

Aus der Serie: "Killerstorys, oder die frühen Tage"

Zeltweg, oder: Der Wahnsinn zum Quadrat, die Anreise.



Was kann einen professionellen Biker der die Grenzen seines Möglichen bereits ausgekostet hat noch wirklich reizen? Womit findet man den ultimativen Kik? Sobald Fußraster Ledergewand und Stiefelspitzen zu geschliffen sind, die Rutsch-grenze der Reifen ausgelotet wurde und die Bremspunkte klar sind sollte jeder der noch in der Illusion schwelgt Superludwig in Person zu sein einmal den Reiz der gesperrten Strecke suchen. In den frühen 80er Jahren gab es für diese Turniere Mann gegen Mann nur eine wirkliche Arena. 5,9 Km Asphalt durch die grüne Steiermark. Schauplatz menschlicher Tragödien und Siege. Kaum einer, der sich der Magie des Ortes entziehen konnte. Eine der absolut schnellsten Rennstrecken von Europa. Oftmals entschärft, bis hin zur Kastration in jüngster Zeit. Der Österreichring.

Hat man einmal Blut geleckt, kann man nicht mehr anders. Das ist eine andere Welt. Freitag Nachmittag in`s Fahrerlager, bei der Durchfahrt durch den Tunnel eine Gänsehaut über den Rücken. Aaaahhh! Endlich wieder in der Dimension X. Anfangs waren es die sogenannten Testtage, die unser Interesse weckten. Das waren Ausfahrten nach unserem Geschmack. Von Wien runter nach Zeltweg, dort zwei Tage Vollgas im Kreis und Sonntag 16.00 Uhr Schluss. 16.20 nach Aufladen der verbogenen Bikes Abflug nach Hause. Das Abschlussrennen, sozusagen. So zirka 200 Kilometer. Die Streckenposten, grün bemützt, haben bereits Position bezogen. Ab 15.00 Uhr herrscht für die Exekutive Großeinsatz. Da sich das Schauspiel alle Drei bis vier Wochen wiederholt, wissen die Einsatzkräfte serwohl um die taktisch richtigen Lauerplätze. Ist natürlich für Vater Staat eine ideale Einnahmequelle. Das man als gemolkener Straßenbenützer natürlich versucht, dem Arm des Gesetzes zu entwischen, ist natürlich auch klar. Die wollen partou nicht einsehen, das man einfach ein modifiziertes Gerät braucht, um in Zeltweg zu bolzen. Wer hat schon das Geld für einen Transporter? Somit bleibt nur, das Bike schon im Vorfeld aufzurüsten.4-1 Auspuffanlage drauf, umdüsen, geschnittene Slicks (wenn vorhanden) montieren, lästige Teile wie hinterer Kotflügel oder Kettenschutz weg, Blinker runter. Bei Nacht und Nebel versucht man nun mit dem brüllenden Etwas den Ring zu erreichen. Keine Frage, was passiert wenn die Wegelagerer zuschlagen. Dann kannst du alles vergessen. Keine Zulassung, Bundesprüfanstalt und ein horrendes Strafgeld ist nicht das schlimmste, was dir passieren kann.

Gut, nehmen wir an wir haben`s bis Sonntag 16.20 Uhr geschafft. Was dann? Jeder will nach Hause, und das so schnell wie möglich. Also, Packl rauf, und in der Menge untertauchen. Einige Kilometer weiter bei der vereinbarten Tankstelle zusammen warten und schauen, wer durch Beamtshandlung ausgefallen ist. Dann geht es los. Nächster Halt Tankstop Semmering. Regel Nummer 1: wer vorne ist, bestimmt was passiert. Regel Nummer 2: Wer bremst verliert. Der Spitzenpulk formiert sich, und heftige Scharmützel entbrennen um die Spitze. Die Reihung ist doch etwas anders, als auf der Rennstrecke. Hier auf der Straße gilt das Gesetz der Wildnis. Man muss schon ruhig Blut bewahren, denn der Faktor fahrende Hindernisse entwickelt oft eine seltsame Eigendynamik. Am besten ist, wenn man vorbei ist, bevor die vierrädrigen Schnecken dich bemerken. Erfahrungsgemäß machen die erst den größten Blödsinn, wenn sie dich von hinten kommen sehen. Glaubt mir, Freunde! Ein guter Autofahrer ist ein überholter Autofahrer. Gilt natürlich auch für ganze Jagdgeschwader. Geile Sache, wenn 12 Mann hoch innerhalb von einer Sekunde mit 180 vorbeikommen. Da ist Power drin! Jawohl!

Nach 10 Minuten erster Kontakt. Ein Gendarm versucht durch aufzeigen mit dem rechten Arm Aufmerksamkeit zu erregen. Da er alleine bei der Ortsende Tafel steht und ich wirklich keinen Platz für einen Beifahrer habe, beschließe ich den offensichtlichen Anhalter einfach zu ignorieren. Einige Ortschaften weiter treffen wir auf eine Funkstreife, die gerade einen VW Golf Fahrer kontrolliert. Mit offenem Mund und sich hin und her bewegenden Köpfen wird unsere Vorbeifahrt registriert. Das mit den 50 km/h kann sicher keinen stören, die fahren wir locker!

Danach kommt natürlich etwas Unsicherheit auf. Zwischen den motorischen Handlungen, Vollgas, Bremsen, Schalten, Überholen und volle Pulle kommen Quälende Gedanken. ....Wenn die mit Funk....Zivilstreifen und so.....Rambo hat`s auch nicht geschafft....?!

Aber das Tier in mir ist einfach stärker. Weiter geht es, hurtig munter. Einige Kilometer weiter auf einmal ein satter, röhrender Ton. Wir schließen auf ein würdiges Gerät der vierrädrigen Spezies auf. Lamborghini Countach. Wiener Kennzeichen, sehr rot. Nach kurzem Innehalten und Genuss des sonoren Zwölfzylindersoundes wird mit zum Gruß salutierter linker Hand an dem Countach vorbeigefahren. Ehre wem Ehre gebührt. Der Countach grüßt mit der Lichthupe. Jäger unter sich. Die nächsten zwei Gänge bis in`s rote Feld drehen ist Pflicht. Wir kommen dem Semmering immer näher. Aber dann, das Imperium schlägt zurück. Kurz vor dem Semmering, das letzte Nadelöhr vor Niederöstereichischem Teretorium, der Tunnel bei Mürzzuschlag. Durch diese hole Gasse muss er kommen, wird sich der Feind wohl gedacht haben. Wir kommen da so nichtsahnend und doch schon sehr ausgelaugt um die letzte Ecke vor dem Tunnel, und siehe da, die Tunnelröhre ist zugepflastert mit quer-stehenden Einsatzwagen. Blau beleuchtet, die Türen geöffnet und dahinter Beamte mit ihren Waffen im Anschlag. So richtig wie im schlechten Krimi. Was nun? Noch 500 Meter. Bedächtig nimmt Erich E., der gerade die Spitze anführt, die Hand vom Gas. Fünf Sekunden später erblickt er aber eine einspurige Auffahrt auf die Gegenfahrbahn. Ein elegantes Handzeichen nach links, und alle zwölf fahren gegen die Einbahn die Auffahrt hinunter. Ihr könnt euch vorstellen, wie die Bullen in ihre Autos gesprungen sind und versucht haben uns zu verfolgen. Bei dem starken Verkehr war es natürlich nur für die Bikes möglich, sich vorbeizuschlängeln. So sehr sich alle Autofahrer bemühten, aber für zwei Autos nebeneinander war wirklich kein Platz. Nach dieser Aktion war natürlich Feuer am Dach. Mit kaltem Schweiß auf der Stirn und mit Vollgas versuchen wir dem Arm des Gesetzes zu entkommen. Drei Ortschaften weiter, die Rettung. Ein ländliches Gasthaus, genau in einer Spitzkehre, zwei einladend geöffnete große Tore. Zwölf Bikes rasen in den Gastgarten, der letzte springt von der Maschine, läuft zum Tor und wuchtet beide Flügel zu. Der völlig verdutzte Wirt schaut mit großen Augen aus dem Fenster. Alle laufen wie wild in das Lokal. Ich schätze mal er wird mehr an einen Raubüberfall als an durstige Gäste gedacht haben. Aber nach kurzer Schilderung der Lage dreht er sofort die Straßenseitige Beleuchtung ab und hängt das Schild „Heute Geschlossen“ vor die Tür. Einige Minuten später hören wir noch das laute „Tatütata“ vorbei heulen, aber die steirische Gastfreundschaft hat uns gerettet. Der Wirt hat uns dann erklärt, er ist ja auch einer von uns. Er hat mit seiner 250er Puch auch so manches Abenteuer erlebt, und verdammt, auf ihn kann jeder Biker zählen! Bestens gegessen und getrunken, sehr viel gelacht und einen neuen Freund gefunden! Und nach drei Stunden sind wir dann Richtung Heimat aufgebrochen. Natürlich mit dem Vorsatz, es nun wirklich langsam anzugehen. Wie lange das gehalten hat, überlasse ich eurer Vorstellungskraft.....

Vom Blickwinkel des Betrachters aus

Aus der Serie: "Killerstorys, oder die frühen Tage"


Vom Blickwinkel des Betrachters aus



Es war wirklich ein harter Tag. Unser Held steckt den Schlüssel seiner Wohnung noch langem schwerem Suchen in seiner nassen Montur zitternd ins Schloss.
Er tritt in seine Behausung, und hat nur mehr eines im Sinn. Die Badewanne. Die Lösung seiner Probleme der letzten Stunden.
Die Siebenhundert Kilometer am Stück im Regen, in Acht Stunden, das ganze zu zweit und mit Gepäck. Heißes Wasser sprudelt in die Wanne, die nassen Sachen klatschen Stück für Stück auf den Boden.
Minuten später liegt er in der dampfenden Wanne. Das heiße Wasser entspannt ihn völlig, nur ein ziehen seiner Muskeln lässt den Ausmaß seines Muskelkaters am nächsten Morgen erahnen.
Vom heißen Wasser und der Erschöpfung eingelullt, schließt er seine Augen.
Plötzlich, ein rhythmischer greller Warnton. Er reißt seine Augen auf, sieht durch die Panoramascheibe eines Raumtransporters vom Typ GALAXIS und registriert schlaftrunken die Lage.
Ach ja, dritte Schicht, alle seine vier Beine und sechs Arme sind noch vorhanden, Wahnsinn, was für ein Alptraum!
Er sieht seinem neben Ihm sitzenden Kollegen in seine drei Augen und erzählt von dem Traum, stell dir vor, ich hab geträumt ich bin ein Mensch!
Der Alien beruhigt sich langsam wieder, und setzt sein Schläfchen doch noch fort. Sind ja noch einige Quanten bis zum Andromedanebel. Er schlummert in seinem Sitz ein.
Zähne klappern und ein Zittern am ganzen Körper . Langsam öffnen sich seine Augen. Oh, Scheiße, in der Badewanne eingeschlafen! Das Wasser eiskalt!
Raus aus der Wanne, den geschundenen Körper mit dem flauschigsten Badetuch abgetrocknet und rein ins warme Bett.
Aber als er am Spiegel vorbeikommt, bleibt er stehen und betrachtet sich noch einmal gründlich. Mensch, das war so real, ich als Alien!
Er klettert in sein Bett, und fängt noch mal zu grübeln an. Also wirklich, wo ist nun die Realität. Bin ich nun ein Mensch, oder ist mein Traum die Wirklichkeit, und ich bin ein Alien, der Träumt er sei ein Mensch.
Na, morgen werde ich es sicher wissen, aber, wenn ich nun wirklich der Biker bin, mit den Jungs vom Club kann ich darüber nicht reden, die wischerln sich an vor lauter lachen. Und der neue Spitzname,.........

Gut, er hat es seinen Kumpels nicht erzählt. Aber nach einiger Zeit, nach Verarbeitung durch das Unterbewusstsein hat er es mir dann doch gebeichtet. Und wie so oft, natürlich am Lagerfeuer.
Nach einem wunderbaren Tag, Sonne, kaltes Bier und eine herrliche Ausfahrt. Da hört man dann so einiges.
Die Kampftrinker stehen gnadenlos am Tresen, die Vollgaspartie redet Benzin, die HD-Fahrer reden HD, und die Lagerfeuersitzer philosophieren über den Sinn des Lebens. Und da hat es ihm die Story raus gedrückt.
Und auch die von den Träumen, in denen sein Unterbewusstsein wach wird und er plötzlich begreift, das er sich im Traum befindet, und sein Körper Zuhause im Bett liegt und schläft.
Und sobald er das realisiert hat, erschrickt er und erwacht. Er öffnet die Augen, und sieht die Decke seines Schlafzimmers.
Der Lärm rundherum bildet eine natürliche Abschirmung. Einige Anwesende rücken interessiert zusammen.
Einige anders Denkende lächeln mitleidig, drehen sich um und gehen. Was die bloß immer haben, von wegen spiritueller Scheiße, leben danach und so. Deckel zu, Kiste runter und das war’s.
Was die bloß immer haben. Über das, was nachher ist, zerbreche ich mir doch nicht den Kopf! Und für die paar Panikatacken und Auszucker, die ich hie und da habe, gibt es hervorragende Medikamente. Also wirklich,......

Gut, jeder hat seine eigene Ansicht über die Sache. Nachdem sich der mitleidige Lächler zurückgezogen hat, kann es weitergehen.
Unser Freund ist nun völlig in Fahrt geraten, nun Erzählt er auch von Sachen die ihn im Wachzustand passiert sind.
Vor einiger Zeit geht er auf der Straße, und an einer Kreuzung wo er nicht um die Ecke sehen kann, hat er plötzlich eine Erinnerung. Ja, genau diese Szene hat er bereits einmal durchlebt. Im Traum! Aber da ist es noch weiter gegangen.
Da ist ein alter Schulkamerad aus grauer Vorzeit, den er schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen hat, ums Eck gekommen!
Und es läuft ihm eiskalt über den Rücken, Er geht noch einige Schritte, und plötzlich steht sein Schulkamerad vor ihm!
Ja was, bitte was soll er davon halten? Ist er ein Fall für den Psychiater? Haben fremde Mächte die Hand im Spiel? Reger Erfahrungsaustausch entbrennt.
Jeder versucht seine Erlebnisse der besonderen Art in Worte zu fassen. Aber da, unser Lächler ist zurückgekommen.
Einige Biere und Hochprozentiges haben seine Zunge gelöst, und er beginnt lautstark seine „Wenn ich sterbe, bin ich tot“ Parolen zu untermauern. Auch der obligate Feuerteufel hat die Bühne betreten.
Er legt planlos soviel Holz aufs Feuer, das man nur mehr die Flucht ergreifen kann. Das ist meistens so, das muss so sein. Stellt euch vor, wir hätten alle Zeit der Welt um über den Sinn des Lebens zu philosophieren.
Kein Arbeiten, keine Sorgen, keine Uhr die tickt, die uns an unsere Sterblichkeit erinnert. Kein Besoffener, der dich wieder in die Realität zurückholt. Es wäre doch das Paradies auf Erden.
Und das soll nicht sein. Wenn wir hier und jetzt alles wissen würden, wenn wir alles erfahren würden was für den Sterblichen immer verborgen bleibt, währen wir göttlich. Wir sind aber nur Menschen.
Es ist die Einzige Möglichkeit etwas zu lernen. Würden wir wissen, was vor unserer Geburt oder nach unserem Tod passiert, bräuchten wir nicht zu leben.
Da wir uns aber in der Dualität befinden, wo alles seinen natürlichen Gegensatz hat, stellt sich natürlich die Frage nach dem Davor und Danach.
Aber genauso wie es schwarz und weiß, oben und unten, kalt warm oder Mann und Frau gibt, existiert auch ein Hier und Dort. Und jeder, der sich bewusst wird, das er im Hier lebt, kann schlecht verleugnen das es ein Dort auch noch gibt.
Und Ihr könnt mir erzählen, was ihr wollt, mein „Dort“ ist da wo alle meine Freunde die ich verloren habe, schon sind.
Dieses „Ewige Daytona“, wie es der selige Johann Nagel in einem Gespräch zwei Wochen vor seinem Tod genannt hatte, hat seinen Reiz.
Ich ergebe mich der Vorstellung von der endlosen Steilwand, wo der Benzin nie ausgeht, der Gummi nie kalt wird, und die Ersatzteile im Überfluss herumliegen. Ja, dort will ich hin.
Das ist ein würdiges Walhalla der Biker. Und jeder der mit mir einer Meinung ist, möge gerne mitkommen.
Auch mein Freund, der Suchende, hat seine Zweifel abgelegt. Aber um diesen Weg zu gehen, gibt es nur eine Parole. Jeden Tag glücklich sein, positiv denken und sein Bestes zu geben. Was immer das auch sein mag.
Aber Hier gibt jeder sein Bestes.
Die Kampftrinker trinken noch immer, sehr gute Haltungsnoten, die Gasgeber reden noch mehr Benzin, die HD-ler greifen nun endgültig zum Werkzeug und die Lagerfeuertruppe übt sich im Gleichklang der Gedanken.
Und, verdammt noch mal, darum gefällt`s mir bei den Bikern. Die haben alle einen Vogel. Auch ich habe einen Vogel. Aber den füttere ich sehr gerne....


Sind Wir uns mal ehrlich...

Aus der Serie: "Killerstorys, oder die frühen Tage"

Sind Wir uns mal ehrlich...



Ja, ja, die Kolummnenschreiber haben’s schwer. Sie müssen in regelmäßigen Abständen ihren Senf zu irgendeinem Thema abgeben. Na ja, in der heutigen Zeit ist das ja kein Problem. Coole Sprüche und technisches Gebrabel verdecken ja so einige Mängel in der Kompetenz des Schreiberlings. Kommt es mir nur so vor, oder lese ich immer wieder die selben Lobeshymnen über Motorräder, die freundlicherweise vom Hersteller zum testen bereitgestellt werden? Ist es möglich, das in den verschiedenen Beiträgen sich Männlein und Weiblein über den Vorzug dieses Bikes gegenüber jenes eines anderen Herstellers unterhalten, und dabei die coolsten Sprüche wälzen? Kann es sein, das den Lesern bei Berichten über diverse Veranstaltungen die Bilder besser gefallen als der Text?
Ich möchte hier natürlich nicht als Nestbeschmutzer in den Kreisen der Schreiberlinge gelten, aber so manche Reaktion der Leser die ich persönlich erfahren habe, gibt mir dann doch zu denken. Sollten wir uns nicht etwas einschränken auf die Weitergabe von wertvollen Informationen? Beschränken wir uns doch auf das Wesentliche. Auf die Weitergabe von Wissen, von dem Wir überzeugt sind. Etwas, das wir schon erlebt haben, Lehrgeld das wir bezahlt haben in unserer Laufbahn und vielleicht kann es dem einen oder anderen erspart werden. Aber die Erfahrung zeigt uns, das man Lebensweisheit nicht durch erzählen weitergegeben werden kann. Bei gewissen Dingen muss man sich selbst die Nase anstoßen. Da musst du selber durch.
Zum Beispiel Geräusche. Dieses helle, hässlich kratzende Geräusch, wenn das Bike mit der Verkleidung oder Rahmenteilen den Asphalt berührt, nachdem du den Grip des Gummis verloren hast. Allein die Vorstellung lässt es mir kalt über den Rücken laufen. Echt scheiße. Das Geräusch kennst du dein Leben lang. Überhaupt wenn du es dann zum zweiten Mal hörst. „Nein, nicht schon wieder.....“ zuckt es im Hirn.
Oder das helle Pfeifen des Windes, wenn du weit über zweihundert bist und sich die Gurke mit einem letzten Pendler endgültig in den Hochgeschwindikeitswindkanal legt. Dann hörst du keinen Motor mehr, keine vier-in-eins, nur mehr ein mächtiges Rauschen. Mächtiger Padabum. Absolut geile Sache. Du darfst nur nicht vergessen, circa einen Kilometer weit voraus-zuschauen. Deine Linie ist dann sehr schnell. Sieht aus wie in der Bobbahn.
Sonstige Weisheiten gehören natürlich auch dazu. Ganz normale Sachen. Die erste Liebe, das erste Bike, die erste Scheidung,.............

Und so vergehen die Jahre. Der Körper nimmt an Substanz ab, der Geist lernt dazu. Meistens, zumindest.
So ist es, wenn man die Dinge erlebt hat, man weiß worüber man schreibt. Geschichten, die das Leben bringt. Auch harte, traurige und entsetzliche Sachen. Man muss hier nur die goldene Mitte finden, um die Leser nicht abzuschrecken. Oft ist die Wirklichkeit hundert mal brutaler als der härteste Film. Aber eine Sache hat mich doch stark geprägt und schwer beeindruckt.
Es war Anfang der Achtziger Jahre. Tiefstes Waldviertel. Eiserner Vorhang, Grenzlandgebiet und Tote Hose. Montag bis Freitag schön brav malochen, Samstag Sonntag Vollgas. Saufen bis zum Umfallen, und möglichst viele Discos und Lokalitäten in den zwei Tagen heimsuchen. Ein elitärer Kreis. Wurde auch „Tausend-Wirtshaus-Rally“ genannt. Da fuhren die Wahnsinnigen mit ihren Autos wie die Schweine durch die Gegend. Planquadrate wurden ausgekundschaftet und über CB_Funk immer auf dem neuesten Stand gehalten.
Und einige waren natürlich mit dem Motorrad dabei. Wir, die Kradmelder, waren die Vorhut. Ich fand schon immer das Fahren lustiger als das Saufen. Und wie wir da eines Tages in Eisgarn in die Disco reingehen, sehe ich am Rand einen Rollstuhlfahrer. Aufrecht sitzend, klarer Blick. Instinktiv versuche ich, ihn nicht anzustarren. Ich setze mich in eine Ecke und lasse mal den Adrenalinspiegel etwas zur Ruhe kommen. Die Autobande kommt auch, und im Nu sitzen zwanzig Leute auf einem Haufen, und die Show beginnt. Eine Wuchtel jagt die Andere, der Alk rinnt, die Zeit vergeht im Nu.
Und wie ich da so sitze, alle Glieder von mir gestreckt, total fertig von der letzten Sonderprüfung kommt der Rollstuhlfahrer schnur stracks auf mich zugerollt. Er blickt mich stumm von oben nach unten an, und Grinst. „Ich habe von dir gehört“ sagt er, und grinst noch breiter. „Bist von der ganz schnellen Truppe!“. Ich bin etwas verwundert über die Lebensfreude, die dieser Mensch ausstrahlt. Dann erzählt er mir, das er genau weiß, was sich momentan in mir abspielt. Er war auch ein ganz schneller, ihn hat das Fieber auch gepackt. Bis, na ja, dieser schreckliche Unfall. Wirbelsäule ab, Weltuntergang und dann, ein Leben im Rollstuhl. Und Ich plaudere mit ihm über Gott und die Welt, das geile Gefühl beim Fahren jenseits der Physik und allmählich vergesse ich einfach, das er im Rollstuhl sitzt. Er ist halt ein Biker wie wir alle. Anscheinend hat er die harte Prüfung, die ihm das Leben auferlegt hat, ausgezeichnet gemeistert.
Und zu später Stunde, als das Treiben seinen Höhepunkt erreicht hat, setzt er sich gerade, und zeigt mit seinem Finger auf ein Mädchen. „Siehst du die Blonde da?“. „Ja“ erwidere Ich. „Super Fahrgestell!“. Er zögert etwas, sieht Sie lange an und meint: “Ja, das ist mein Mädchen, die hat sogar nach meinem Unfall zu mir gehalten“. Anscheinend hatte er bereits tiefes Vertrauen zu mir, obwohl wir uns erst ein paar Stunden kannten. „Weißt du, das mit dem Rollstuhl ist nicht so arg. Mein eigentliches Problem ist, hätte ich mir nur einen Wirbel weiter unten gebrochen, würde mein Ding zwischen den Beinen noch funktionieren“.
Innerlich krampft es mich zusammen, das Entsetzen verbergend. Ich versuche mir seine Lage vorzustellen. Diese Frau muss Ihn wirklich lieben. In der Not siehst du deine wahren Freunde. Er aber sitzt da, das Lächeln in seinem Gesicht strahlt noch immer, und er kippt einen starken Drink in einem Zug hinunter. „Sie ist so ein tolles Mädchen! Und Ich kann Sie nie wieder richtig vögeln. Nur immer mit der Zunge ist auf die Dauer auch nicht das Wahre“. Fassungslos über diese Ansage blicke ich ihn an. Längst weiß er, das er mich nun vollständig verblüfft hat. Aber er legt noch einen drauf. „Ich hab da einen Freund, einen sehr guten Freund, den wir beide schon lange kennen. Einmal im Monat schicke ich meine Frau zu ihm, und er vögelt sie richtig durch. Frauen brauchen das. Mir ist das lieber, als Sie geht heimlich zu einem Anderen den ich nicht kenne, und Sie läuft mir weg. Sie würde mir aber auch treu sein, wenn ich das von ihr verlangen würde“.
Er winkt seiner Frau, die sich ganz zwanglos unterhält, und Sie setzt sich zu uns. Er wechselt taktvoll das Thema, und wir plaudern zu Dritt weiter. Ich war schwer beeindruckt über die Art und Weise, wie er sein Schicksal nahm. Hochachtung vor diesem Mann, der sich auf seine Weise für die Treue seiner Gefährtin bedankte. Hochachtung vor dieser Frau, die zu ihm hielt, und ihm seine Lebensfreude auf seine eigene Art wieder gab.
Ich hab ihn nie wieder gesehen, den Rollstuhlfahrer. Aber ich denke sehr oft an Ihn. Jedes mal wenn das Thema auf Zusammenhalt oder Liebe fällt, kommt sie mir in den Sinn, die Lektion, die ich aus diesem Erlebnis gelernt hatte. Ehrlich sein zu sich selbst, und zu den anderen. Er hat versucht die Erfahrungen aus seiner Sicht der Dinge weiterzugeben.
Ja, Leute. Ich sehe die Fassungslosigkeit in euren Gesichtern. Aber so wahr ich hier sitze, das habe ich selbst erlebt. Ich habe versucht, seine Worte so genau als möglich niederzuschreiben. Möge sich jeder von euch ein Bild darüber machen, was wahre Liebe und Freundschaft wirklich ist. Ob ästhetisch oder nicht, das sind Geschichten die das Leben schreibt. Das kann man sich nicht ausdenken. Das muss man erleben.


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